Vielleicht ist Dir schon mal aufgefallen, dass Cannabis immer ein bisschen anders riecht, schmeckt und wirkt. Manchmal fesselt es Dich den ganzen Abend ans Sofa, manchmal sprudeln Kreativität und Inspiration nur so hervor. Neben den unterschiedlichen THC- und CBD-Konzentrationen entscheiden die Terpene, wie Du den Rausch erlebst.
Wissenschaftler:innen sind längst auf Terpene aufmerksam geworden und ihre Anwendung ist vielfältig. Was genau steckt hinter den wundersamen Duftstoffen und welche Bedeutung haben sie im Zusammenhang mit Cannabis?
Inhaltsverzeichnis
Terpene sind natürliche chemische Verbindungen, die zu den sekundären Pflanzenstoffen gehören. Es handelt sich um eine äußerst vielfältige und große Gruppe: Mittlerweile sind rund 8.000 Terpene und über 40.000 der nahe verwandten Terpenoide bekannt – diese enthalten neben Kohlenstoff weitere Elemente.1
Nehmen wir Terpene und Terpenoide genauer unter die Lupe, zeigt sich, dass sie aufgrund ihrer vielfältigen Strukturvarianten unterschiedlich klassifiziert werden: zum Beispiel in Monoterpene, Polyterpene oder Tetraterpene.
Klar ist: Sie alle verfügen über erstaunliche Eigenschaften: manche können Ängste lösen, andere Schmerzen lindern1. Deswegen werden sie schon seit dem Altertum aus verschiedenen Gewächsen entnommen und zum Beispiel als ätherische Öle angewendet.
Erinnerst Du Dich an Deinen letzten Waldspaziergang? Vielleicht bist Du im Regen unter Kiefern, Fichten und Eichen entlang gelaufen, hast die Luft ganz tief eingesogen – und den harzig-erdigen Duft genossen. Vielleicht hast Du kürzlich auch an einem Blumenstrauß geschnuppert oder ein Fläschchen ätherisches Pfefferminz-Öl aufgeschraubt.
Was Du hier wahrnimmst, sind Terpene und Terpenoide: flüchtige Verbindungen, die Pflanzen ihren Geruch und Geschmack verleihen. Sie kommen zwar ebenfalls in Tieren und Mikroorganismen vor, stecken jedoch vor allem in Blüten, Blättern und Rinden.
Ohne Terpene würde unser Planet völlig anders aussehen. Denn: Sie tragen maßgeblich zum Überleben und Wachstum von Pflanzen bei, indem sie vor Fressfeinden und Pilzen schützen, als Phytohormone wirken, zur Fotosynthese beitragen oder bestäubende Insekten anziehen.2 Terpene, die Dir im Wald begegnen, scheinen den Bäumen sogar als Kommunikation zu dienen – so warnen sie sich zum Beispiel vor Schädlingen.
Allerdings reichen die Funktionen von Terpenen noch viel weiter: sie beeinflussen nämlich auch den Menschen. Und zwar auf so wirkungsvolle Weise, dass sie in Medikamenten der Schulmedizin vorkommen: dazu gehören zum Beispiel die pflanzlichen Wirkstoffe Baldrian- oder Arnika.3 Zwar steckt die Erforschung von Terpenen noch in den Kinderschuhen, die in Cannabis und ätherischen Ölen vorkommenden Substanzen scheinen jedoch einen äußerst vielversprechenden Nutzen zu haben.
Chemisch betrachtet sind Terpene winzige Moleküle in der Größe von Nanopartikeln. Als solche gelingt es ihnen, sowohl unsere Hautbarriere als auch die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und auf das zentrale Nervensystem einzuwirken.4 Ersten Hinweisen zufolge könnten Terpene unter anderem …
Auch in der Aromatherapie spielen Terpene eine wichtige Rolle. Über den Geruchssinn aufgenommen, sollen ätherische Öle das Gemüt erfrischen, die Sinne beruhigen oder Stress lindern. Auf die Haut aufgetragen, können Terpene Juckreiz hemmen und Schmerzen stillen – das ist zum Beispiel bei Menthol der Fall.1
Übrigens: Wer mit niederländischem Cannabis im Gepäck und schwitzigen Fingern auf der Autobahn angehalten wurde, dem sind die Terpene zum Verhängnis geworden. Die Aufschlüsselung der Substanzen diente einst nämlich als Hundetrainingshilfe. 5
Wenn Du schon mal an verschiedenen Cannabissorten geschnuppert hast, weißt Du: Hanf ist nicht gleich Hanf und die verschiedenen Sorten unterscheiden sich auch im Duft: Manchmal riechen die Blüten blumig oder erdig, manchmal holzig oder moschusartig. Kein Wunder, denn die Zusammensetzung und Menge der Terpene unterscheiden sich.
Die Zusammensetzungen hängen von der Genetik und den Anbaubedingungen ab. So kommt es, dass jede Cannabispflanze ihr eigenes Profil hat. Wie Du mittlerweile weißt, spielen die chemischen Verbindungen jedoch nicht nur für den Geruch und Geschmack von Pflanzen eine Rolle – sondern auch für ihre Wirkweise.
Manche davon können scheinbar direkt auf das Endocannabinoidsystem einwirken und die therapeutische Wirksamkeit von Marihuana intensivieren.
Das bedeutet: Sie schwächen oder stärken die Wirkung der Cannabinoide (CBD, THC usw.), die andersherum die Terpene beeinflussen – es handelt sich also um eine wechselseitige Wirkung; auch Entourage-Effekt genannt.5
Die hier entstehende Synergie könnte für die Behandlung von Schmerzen, Entzündungen, Depressionen, Angstzuständen, Sucht, Epilepsie, Krebs und bakteriellen Infektionen zum Einsatz kommen.5 Terpene und Cannabinoide sind eine äußerst vielversprechende Kombination, eine große Vielfalt an Beschwerden lindern könnte.
Vielleicht fragst Du Dich jetzt, ob Du Terpene rauchen kannst. Kannst Du – schließlich sind sie im Cannabis enthalten. Allerdings macht der Tabak den medizinischen Nutzen gegebenenfalls wieder zunichte.
Dass Cannabis-Blüten unterschiedlich wirken, liegt zum einen am Cannabinoid-Gehalt – und zum anderen an der einzigartigen Terpen-Zusammensetzung. Bei einem genaueren Blick zeigt sich, dass hier vor allem zwei Arten von Terpenen vorkommen:
Zu den wichtigsten Monoterpenen gehören unter anderem Limonen, β-Myrcen, α-Pinen und Linalool. Bei den Sesquiterpenen wiederum überwiegen E-Caryophyllen und Caryophyllenoxid sind, E-β-Farnesen und β-Caryophyllen.5
In der folgenden Tabelle findest du einen kurzen Überblick:
Terpen | Geruch | Eigenschaft |
Pinen | α-Pinen erinnert an Kiefern oder Rosmarin, β-Pinen an Petersilie, Dill oder Basilikum | Pinen reduziert die Aktivität eines bestimmten Enzyms (Acetylcholinesterase) im Gehirn. Dieses greift vor allem ins Zentrale Nervensystem ein und spielt für die Signalübertragung der Nervenzellen eine wichtige Rolle. Möglicherweise könnte Pinen das Gedächtnis unterstützen und die durch THC hervorgerufene kognitive Dysfunktion lindern.5 Darüber hinaus gilt das Terpen als antiseptisch; es kann also Krankheitserreger abtöten.5 |
Myrcen | Erdig, moschusartig, fruchtig; erinnert an Gewürznelken und Mango und ist Bestandteil von Zitronengras oder Hopfen | Wenn Du nach einer Tüte im Couch-Look gefangen auf dem Sofa liegst, hat der Mycrengehalt im Cannabis die 0,5% vermutlich überschritten. Ein niedrigerer Gehalt kann Deine Energie hingegen boosten.5 |
Limonen | Riecht sehr zitronig und kommt auch in den Schalen von Orangen, Zitronen und Zitrusfürchten in großen Mengen vor | Limonen soll den Serotonin- und Dopaminspiegel erhöhen. Beide Neurotransmitter tragen zum emotionalen Wohlbefinden bei. So kommt es, dass dieses Terpen ggf. die angstlösende, beruhigende und stresshemmende Wirkung von CBD auslöst.5 |
Linalool | Leicht würzig, frisch und blumig, erinnert an Lavendel und ist u.a. in Thymian enthalten | Kann das Schmerzempfinden beeinflussen, Ödeme lindern und den Magen schützen.1 |
Caryophyllen | Würzig, erdig, pfeffrig. Kommt in Hopfen, Nelken, Zimt oder Oregano vor und löst das typische Kitzeln in der Nase aus, wenn Du an Pfeffer riechst | Caryophyllen dockt am CB2-Rezeptor an, entfaltet aber keine psychoaktive Wirkung. Stattdessen gilt es als entzündungshemmend, antidepressiv, antibakteriell, antimykotisch (pilzabtötend), antioxidativ, gastroprotektiv (magenschützend), analytisch (schmerzlindernd), antiproliferative (wachstumshemmend) und sogar antikarzinogen (krebshemmend). 5 |
Caryophyllenoxid | Nelkenartig | Caryophyllenoxid kann eine antimykotische und Insektizide Wirkung entfalten. |
Einige Terpene können die entspannende und stresslindernde Wirkung von Cannabinoiden also verstärken, während diese wiederum die pharmazeutischen Effekte der Terpene verbessern. Kein Wunder, dass in der Branche ein gewisses Interesse daran herrscht, CBD-Öle und andere Cannabisprodukte mit Terpenen anzureichern.
Und das ist tatsächlich möglich: Mit einem Terpene-Spray oder Terpene-Extrakt lässt sich das aromatische Profil von Cannabis verändern und die Konzentration der Terpene erhöhen – deren Wirkung tritt nämlich erst ab einer bestimmten Menge ein. 5
Terpene haben sehr unterschiedliche Wirkungen. Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass manche Schmerzen lindern, während andere entspannend können, Krankheitserreger abtöten, Freie Radikale schwächen oder womöglich Depressionen reduzieren und den Dopaminspiegel erhöhen. Deswegen kommen sie unter anderem als ätherische Öle in der Aromatherapie zum Einsatz.
Um sich vor Fraßfeinden zu schützen oder bestäubende Insekten anzulocken, bilden Pflanzen – und auch Hanf – aromatische Kohlenwasserstoff-Verbindungen: Terpene. Diese prägen den Geruch und das Aroma von Cannabis. Darüber hinaus tragen sie zu der berauschenden und medizinischen Wirkung bei.
Nein, Terpene sind nicht gesundheitsschädlich – ganz im Gegenteil. Manche Verbindungen können allerdings Nebenwirkungen hervorrufen. Dazu gehören vor allem Reizungen der Haut und Allergien. Diese machen sich vermehrt bei Citral, Geraniol und Limonen bemerkbar. Deswegen solltest Du ätherische Öle niemals unverdünnt auftragen und Deine Haut beobachten.
Terpene sind chemische Verbindungen, die ganz natürlich in Cannabis vorkommen. Hier verstärken sie die Wirkung von Cannabinoiden wie CBD, THC oder CBC. Andersherum intensivieren die Cannabinoide die vielfältigen medizinischen Effekte der Terpene. Es handelt sich also um eine wechselseitige Beziehung, die Wissenschaftler:innen Entourage nennen.
[1] Dr. Armin Scheffler (2006): Pharmakologie ausgewählter Terpene, https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-222006/pharmakologie-ausgewaehlter-terpene/
[2] Prof. Dr. Eberhard Breitmaier (2013): Terpene: Aromen, Düfte, Pharmaka, Pheromone, https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=xynwBgAAQBAJ&oi=fnd&pg=PA11&dq=terpene+pflanzen+&ots=ZnAMqAkNEa&sig=modZoe08MKuhOIAaWjqQvnNIuH0#v=onepage&q=feind&f=false
[3] Dr. Armin Scheffler (2006): Pharmakologie ausgewählter Terpene, https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-222006/pharmakologie-ausgewaehlter-terpene/
[4] https://www.leafly.de/terpene-medizinischen-eigenschaften/
[5] Sarana Rose Sommano, Chuda Chittasupho, Warintorn Ruksiriwanich, Pensak Jantrawut (2020): The Cannabis Terpenes, https://www.mdpi.com/1420-3049/25/24/5792/htm