Spätestens mit dem Hype um E-Zigaretten sind die Liquids, die den Zigaretten ihre jeweiligen Gerüche und Geschmacksnoten verleihen, in den Fokus der Gesellschaft gerückt und laufen Tabak immer mehr den Rang ab. Viele Raucher:innen, die sich der Sucht entledigen wollen, nehmen den Umweg über die E-Zigarette. Auch Cannabiskonsument:innen sind neugierig und so ist es nicht verwunderlich, dass Interessierte sich THC-Liquid in ihre Vape-Pens füllen. Im Gegensatz zu natürlichem Cannabis stellen synthetische Cannabinoide wie THC-Liquid jedoch ein hohes Gesundheitsrisiko dar. Aber was genau macht das flüssige Cannabis so gefährlich?
Inhaltsverzeichnis
THC-Liquids sind im Jahr 2014 in Europa aufgeploppt. Die Geschichte der synthetischen Cannabinoide reicht jedoch bis zum Anfang der Jahrtausendwende zurück – sie beginnt mit „Spice“: Räuchermischungen aus getrockneten Pflanzenteilen.
Nachdem Konsument:innen von Cannabis-ähnlichen Wirkungen berichten und die Medien das Thema aufgreifen, hat Spice 2008 eine große Popularität erreicht – die Kräuter werden als legale Alternative zu Cannabis angepriesen: Endlich können Konsument:innen ihren Rausch genießen, ohne sich vor rechtlichen Konsequenzen fürchten zu müssen.
Im Dezember 2014 folgt dann die Ernüchterung. Natürliche Zauberkräuter? Pustekuchen!
Deutsche Labore finden in der Mischung künstliche Cannabinoide, allen voran die Wirkstoffe CP-47,497 und JWH-018 1.
Diese wurden in den 1980er und 1990er-Jahren synthetisiert und galten damals als medizinischer Hoffnungsträger. Es misslang den Forscher:innen jedoch, die berauschende Wirkung zu unterbinden und so wurden die Medikamente nie freigegeben.
In der Folge werden die bekannten Inhaltsstoffe schließlich verboten. Es beginnt ein Wettrennen zwischen Gesetzgeber und Hersteller:innen: Indem die Molekülstruktur der Substanzen ständig verändert wird, bleibt der Handel legal.
2016 macht das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz2 Schluss damit: Als Ergänzung zum Betäubungsmittelgesetz (BmtG)3 untersagt das NpSG nun nicht mehr nur den Umgang mit spezifischen Substanzen. Ab sofort stehen ganze Wirkstoffgruppen unter Strafe.
Trotzdem: Was früher auf Kräutermischungen gesprüht wurde, lässt sich jetzt verdampfen – von “Legal Highs” kann bei THC-Liquids also keine Rede sein.
THC-Liquid enthält neben den typischen Liquid-Inhaltsstoffen – Glycerin, Propylenglykol und Aromen – auch Imitate von Cannabinoiden.
Cannabinoide sind die in den Cannabisblüten enthaltenen Verbindungen, die für die psychoaktiven und berauschenden Wirkungen verantwortlich sind. Die wohl bekanntesten Cannabinoide sind THC und CBD. In der Pflanze liegen die Verbindungen in Säureform vor und entfalten erst durch einen Prozess, der sich “Decarboxylierung” nennt, ihr volles Potenzial. “Decarboxylierung” meint in dem Zusammenhang den Erhitzungsprozess von Marihuana. Im Allgemeinen bezeichnet es eine chemische Reaktion, bei der eine sogenannte Carboxylgruppe abgespalten wird.
Synthetische Cannabinoide, wie sie im THC-Liquid enthalten sind, sind also im Labor hergestellte chemische Verbindungen, die der Wirkung von THC ähneln sollen. Imitiert wird dabei in erster Linie das “High”. Das bedeutet: Die E-Zigarette wirkt berauschend, die gesundheitsfördernden Eigenschaften bleiben dabei jedoch aus. Im Gegenteil: Weil die exakten Inhaltsstoffe nicht bekannt sind, ist das Ausmaß des Rausches nicht vorhersehbar. Ebenso die unerwünschten Nebenwirkungen, mit denen Konsument:innen rechnen müssen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass THC-Liquid in Deutschland verboten ist.
Genau wie natürliche Cannabinoide dockt auch die synthetische Variante an die Cannabinoid-Rezeptoren im Körper an. Relevant sind vor allem die CB1- und CB2-Rezeptoren4. Die Rezeptoren gehören zum körpereigenen Endocannabinoidsystem. Dort fungieren die Rezeptoren als eine Art Briefkasten: Sie empfangen die Nachrichten der Cannabinoide und lösen dann die entsprechende Funktion im Körper aus. CB1-Rezeptoren befinden sich überwiegend an verschiedenen Stellen im Gehirn. Sie nehmen Einfluss auf Emotionen, Schmerzempfinden, Appetit und Schlaf. Die berauschenden Effekte von THC werden also über die CB1-Rezeptoren vermittelt.
CB2-Rezeptoren finden sich auf den Zellen des Immunsystems und sind vor allem für gesundheitsfördernde Prozesse wie Entzündungshemmung verantwortlich.
Synthetische Cannabinoide in E-Liquids wirken oft intensiver als die natürliche Variante. Teilweise ist die Wirkung auch unerwartet: Der Konsum kann schwere gesundheitliche Folgen haben, im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen5. Weil nur selten klar ist, was genau in der Flüssigkeit steckt, lautet die Empfehlung in dem Fall ganz klar: Finger weg!
Die Herstellung von synthetischem THC erfolgt größtenteils in Chemieunternehmen im Ausland. Dabei kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz, mit denen natürliche Cannabinoide, allen voran THC, imitiert werden.
Die Produkte gelangen oft als Luftfracht in die EU und werden erst dann weiter verarbeitet. Der pulverförmige Wirkstoff wird mit Kräutern vermischt, auf CBD-Blüten gesprüht oder in Glycerin aufgelöst und als THC-haltiges E-Liquid verkauft. 6
Im Prinzip ist es sogar möglich, synthetisches THC im heimischen Wohnzimmerlabor herzustellen. Verschiedene Methoden empfehlen den Einsatz von Alkohol und einem Glätteisen. Um nicht noch weitere “Breaking Bad”-Vibes aufkommen zu lassen, raten wir Dir an dieser Stelle nicht nur ausdrücklich davon ab, sondern widmen uns einem anderen, wichtigeren Thema:
Leider ist es gar nicht so einfach, synthetisches von natürlichem Cannabis zu unterscheiden. Mit dem bloßen Auge ist es sogar unmöglich und um wirklich sicherzugehen, müsstest Du Dein Cannabis im Labor analysieren lassen.
Daher ist es ratsam, neue Cannabissorten behutsam zu testen. Warte nach wenigen Zügen eine Weile ab, um zu sehen, wie die Wirkung ausfällt.
Sollte das Cannabis ungewöhnlich stark wirken oder für Symptome wie Herzrasen sorgen, legst Du die Cannabis-Zigarette am besten zur Seite. Bleib in Gesellschaft und kommuniziere Deinen Freund:innen, dass Du dich unwohl fühlst.
Nicht alle Konsument:innen berichten von negativen Erfahrungen – das Risiko eines Horrortrips und psychischen sowie körperlichen Folgen nach dem Gebrauch des THC-haltigen E-Liquids ist dennoch enorm hoch. Was kann Dir konkret passieren?
Symptome oder Erkrankungen, die kurz nach oder während des Konsums von synthetischem THC auftreten und sich nach Abklingen des Rausches nicht zurückbilden, werden als Langzeitfolgen bezeichnet.
Synthetische Cannabinoide sind weitgehend unerforscht: noch lässt sich nicht absehen, welche langfristigen Gesundheitsfolgen sie mit sich bringen. Ersten Hinweisen zufolge ist jedoch möglicherweise sogar ein krebserregendes Potenzial vorhanden7.
Darüber hinaus könnte das E-Liquid Deinen Organen schaden und mit einem starken Abhängigkeitsrisiko einhergehen – dies scheint bei einigen Substanzen eher der Fall zu sein als bei anderen8. Allerdings bleibt es schwer abzuschätzen, was genau Du konsumierst. Häufigkeit des Konsums und Art der konsumierten Substanz nehmen Einfluss darauf, wie herausfordernd der eventuell folgende Entzug sein kann9.
THC-Liquid birgt ein erhöhtes Risiko von Überdosierungen. Zum einen, weil es bis zu 100-mal stärker wirkt als natürliches Marihuana10. Zum anderen, weil die Mischung möglicherweise verschiedene synthetische Cannabinoide enthält. Deswegen kann THC-Liquid unter anderem folgende, akute Nebenwirkungen verursachen5:
Im Jahr 2019 starben in Deutschland elf Menschen nach dem Gebrauch von synthetischem Cannabis, 2020 waren es neun11. Die Dunkelziffer der Todesfälle dürfte höher sein. Das liegt daran, dass sich nicht jede chemische Verbindung im Labor nachweisen lässt und nicht alle Toten als Drogentote identifiziert werden.
Sobald Du Verdacht schöpfst, aus Versehen synthetisches Cannabis wie Liquid-THC konsumiert zu haben, ist eines wichtig: Ruhe bewahren! Leichter gesagt als getan? Versuche Dir vor Augen zu führen, dass das nicht immer schwerwiegende Folgen haben muss.
Dennoch ist Deine Sorge nachvollziehbar und im besten Fall bleibst Du in den nächsten Stunden nicht allein. Falls es Dir möglich ist, wende Dich an eine Vertrauensperson und verzichte auf Alkohol, Koffein und andere Drogen.
Wenn Du Dir unsicher bist oder Du in Panik gerätst, kontaktierst Du am besten den Notruf. Hast Du den Eindruck, dass Deine Situation keinen Notarzt erfordert und wünschst Dir trotzdem eine Einschätzung? Unter der Rufnummer 116117 erreichst Du rund um die Uhr medizinisches Personal.
Bei einer fremden Person ist es ohne eine Laboruntersuchung nicht möglich, einen etwaigen Konsum zu erkennen. Sollten Deine Freund:innen aber nach dem Gebrauch von Marihuana an folgenden Symptomen leiden, ist synthetisches THC nicht auszuschließen.
Zu den Symptomen zählen:
Außerdem sind Wahrnehmungsstörungen ein Warnzeichen: Dann sieht die betroffene Person Dinge, die andere nicht sehen oder erzählt ungewöhnlich wirre Geschichten. Psychosen können zwar auch bei natürlichem Marihuana auftreten, bei synthetischen Cannabinoiden ist das Risiko allerdings erhöht12.
Am wichtigsten ist es, die betroffene Person nicht allein zu lassen. Sorge dafür, dass Dein:e Freund:in in einer möglichst ruhigen und entspannten Umgebung ausnüchtern kann. Sprich nicht über Dinge, die negative Gefühle auslösen können.
Außerdem ist es wichtig, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sicherzustellen. Motiviere die Person zum Trinken und halte sie von Alkohol oder Koffein fern. Sollten sich die Beschwerden verschlimmern oder Du das Gefühl bekommst, die Kontrolle über die Situation zu verlieren, kontaktiere unbedingt den Notruf. Das gilt insbesondere bei Bewusstlosigkeit, Krampfanfällen oder Atemproblemen. Vermeide es dabei, am Telefon zu erwähnen, dass die Person Drogen konsumiert hat, sonst trifft die Polizei womöglich noch vor dem Rettungsdienst am Ort des Geschehens ein und dein:e Freund:in muss mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.
THC-Liquid und andere synthetische Cannabinoide werden oftmals als “Legal-High” angepriesen, allerdings fallen die Substanzen unter das “Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz”. Das heißt: Der Umgang mit synthetischem Marihuana ist in Deutschland illegal. Dazu gehören der Handel, die Herstellung, der Erwerb, Besitz und das Verabreichen. Darüber hinaus ist THC-Liquid in der Schweiz und auch in anderen (EU-)Ländern verboten.
Anders als herkömmliches THC können synthetische Cannabinoide schwere, nicht absehbare Nebenwirkungen auslösen. Daher ist es ratsam, auf E-Liquids zu verzichten. Das Restrisiko, unwissentlich synthetische Cannabinoide zu konsumieren, bleibt allerdings.
Der Hoffnungsschimmer: Die Ampel-Regierung plant die Legalisierung von Cannabis noch während der aktuellen Wahlperiode. Eine Legalisierung von Marihuana bringt eine kontrollierte Abgabe mit sich, sodass Konsument:innen sich der Gefahr synthetischer Cannabinoide nicht mehr ausgesetzt sähen. Damit wäre auch der Weg für weniger bedenkliches THC-Liquid frei. Ein möglicher Grund also, die Vape-Pens doch noch etwas aufzubewahren.
Enthält das THC-Liquid kein echtes THC, sondern im Labor hergestelltes Cannabis, bringt das Verdampfen teils schwerwiegende Gefahren mit sich. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Du größere Mengen konsumierst. Da die Inhaltsstoffe nie bekannt sind, birgt das Verdampfen von THC-haltigen Liquids enorme Risiken. Es gibt aber durchaus Menschen, die von positiven Erfahrungen berichten.
Das E-Liquid ist nicht zum Rauchen gedacht, es eignet sich nur zum Verdampfen in Vape-Pens oder E-Zigaretten. Was manchmal in der Tüte landet, ist THC-Öl. Allerdings können erhitzte Öle sehr hohe Temperaturen erreichen und Deine Lunge schädigen.
In Deutschland erhältliche CBD-Produkte dürfen einen THC-Gehalt von 0,2 Prozent nicht überschreiten. Demnach wirkt CBD-Liquid nicht berauschend und ist für Menschen ungefährlich. Solltest Du das CBD-Liquid vom Schwarzmarkt beziehen, gelten diese Angaben natürlich nicht.