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October 6, 2022

Gestrecktes Gras – häufige und gefährliche Streckmittel im Cannabis

Gestrecktes Cannabis? Klingt komisch, stellt aber tatsächlich ein Problem dar, mit dem Cannabiskonsument:innen sich immer wieder konfrontiert sehen.

Das Problem: Ist das Gras mit Streckmittel versetzt, merkst Du das auf den ersten Blick gar nicht und streust Dir womöglich einen wahren Chemiecocktail in die Tüte. Aber wie erkennst Du gestrecktes Cannabis zuverlässig? Und was passiert, wenn Du das Cannabis trotzdem konsumiert hast?

Warum wird Gras gestreckt?

Der häufigste Grund: um das Gewicht des Cannabis und damit auch den Gewinn zu erhöhen. Manche Verkäufer:innen möchten außerdem eine minderwertige Qualität verschleiern – mit verschiedenen Chemikalien erzeugen sie ein High oder versuchen, das Gras “besser” aussehen zu lassen. 

Wie das funktioniert? Mit etwas Tuning: Haarspray kann beispielsweise den Eindruck vermitteln, dass die Blüten besonders viele Trichome besitzen – ein Hinweis auf eine hohe Potenz.

Und wie erkenne ich, ob mein Gras gestreckt ist?

Die gute Nachricht: Du kannst viele Streckmittel selbst erkennen – wenn Du weißt, wonach Du suchen musst. Die schlechte Nachricht: Um gefährliche Chemikalien zu erkennen, braucht es eine Laboruntersuchung.

Es gibt ein paar Methoden, mit denen Du Dein Cannabis auf Streckmittel untersuchen kannst. Deine Sinne helfen Dir, Verunreinigungen zu erkennen. Die Reihenfolge ist dabei wichtig, um die Risiken gering zu halten.

  1. Sehen

Mit einer Lupe kannst du das Gefäß begutachten, in welchem Du Dein Gras aufbewahrst. Haben sich Krümel am Boden abgelagert? Weiße Rückstände deuten auf Zucker oder Talkum hin. Findest Du gelbe oder hellgrüne Klumpen, wurde das Cannabis womöglich mit Gewürzen gestreckt. 

Wirf außerdem einen genaueren Blick auf die Farbe. Glänzen die Blüten stark, ist vielleicht Haarspray zum Einsatz gekommen. Milchig-pelzige Schleier oder knubbelige weiße Punkte könnten auf Schimmel hinweisen.

  1. Riechen 

Äußerlich kannst Du nichts erkennen? Der Geruch verrät Dir unter Umständen mehr.

  • Ein süßlicher Parfümgeruch weist auf Haarspray hin
  • Riecht das Gras muffig, schimmelt es vielleicht
  • Pfeffer, Oregano und andere Gewürze erkennst Du an ihren klassischen Gerüchen
  1. Anfassen

Nimm eine kleine Grasmenge und zerreibe sie zwischen den Fingern. So tastest Du nach Sand, Glas, Zucker und andere Körner. Auch eine sehr klebrige oder feste Textur sollte Dich stutzig machen – sie geht eventuell auf Haarlack oder Brix zurück.

  1. Schmecken

Wenn Dir bisher keine Auffälligkeiten begegnet sind, kannst Du im nächsten Schritt mit der Zungenspitze an dem Gras lecken. Achtung: Nicht schlucken, nur schmecken! Alles, was chemisch (Haarspray, Blei, Waschmittel), übermäßig süß (Zucker) oder metallisch (Blei) daherkommt, ist ein Hinweis für gestrecktes Cannabis.

  1. Rauchen 

Bevor Du das Cannabis konsumierst, empfiehlt es sich, das Brennverhalten deiner Buds  zu beobachten. Am besten achtest Du darauf, ob:

  • Beim Anzünden die Funken sprühen, 
  • Du poppende Geräusche hörst,
  • verfärbter Rauch in die Luft steigt oder
  • eine harte, schmierige oder sehr dunkle Asche zurückbleibt.

All das spricht eher nicht für gute Qualität, sondern für gestrecktes Cannabis.

Erst im letzten Schritt kommen wir zum eigentlichen Rauchen:

Nimm zwei oder drei Züge und achte auf den Geschmack und die Wirkung. Ist diese ungewöhnlich stark und wird von Symptomen wie Herzrasen begleitet, hast Du es eventuell mit synthetischen Cannabinoiden zu tun. Auch ein Kratzen im Hals und raue bis muffige Aromen weisen auf Streckmittel hin.

Synthetische Cannabinoide 

2008 verbreiteten sich Räuchermischungen („Spice“) in Europa, die wegen ihrer berauschenden Wirkung schon bald als Legal High gefeiert wurden. 

Kurz darauf nahm ein Labor die vermeintlich harmlosen Produkte unter die Lupe – und stieß dabei auf synthetische Cannabinoide: Chemikalien, deren Wirkung Cannabis ähnlich ist, deren Inhaltsstoffe allerdings eine ernstzunehmende Gefahr für die Gesundheit darstellen. 

Die chemischen Verbindungen lassen sich sehr schlecht bis gar nicht erkennen. Denn: Sie haben keinen typischen Geruch, Geschmack oder Konsistenz und werden in geringen Mengen auf die vermeintlichen Cannabisprodukte gesprüht. 

Im Internet findest Du zwar Schnelltests, diese schlagen jedoch nur bei wenigen Substanzen an – die Aussagekraft ist also stark beschränkt. Auch, weil ständig neue Rezepturen auf den Markt kommen. Der einzige sichere Weg, die synthetischen Verbindungen zu entlarven, bleibt die Laboranalyse von verdächtigen Cannabisproben.

Synthetisches Cannabis wirkt schneller, stärker und länger als natürliches Cannabis1. Außerdem sind die Cannabinoide oft ungleichmäßig auf den Blüten verteilt, was das Risiko einer Überdosis zusätzlich erhöht. Während diese bei herkömmlichem Gras unangenehm, aber weitgehend ungefährlich ist, sieht das bei künstlichem THC leider ganz anders aus. 

So gingen 2020  mindestens neun Todesfälle auf synthetisches Cannabis zurück2. Darüber hinaus berichten Konsument:innen von3:

  • Ohnmacht 
  • Herzrasen
  • Verwirrung
  • Halluzinationen
  • Todesängsten 
  • Herzinfarkten 
  • Bluthochdruck 
  • Krampfanfällen 
  • Kopfschmerzen

Brix

Brix besteht aus Zucker, Hormonen und flüssigem Kunststoff. Die Blüten wurden mit den Streckmitteln besprüht oder vor dem Trocknen darin eingetaucht. 

Mit Brix gestrecktes Cannabis sieht sehr frisch aus – fast noch feucht. Es ist außerdem deutlich fester und riecht nur schwach. Zwischen den Finger zerrieben, spürst Du vielleicht einen schmierigen Ölfilm. Die Geschmacksprobe wiederum offenbart chemisch-säuerlich bis bitter-salzige Aromen, die manchmal sogar auf der Zunge brennen.

Weil Du damit eventuell giftige Substanzen aufnimmst und hohe Risiken eingehst, empfehlen wir Dir allerdings, bei Brix-Verdacht vom Geschmackstest abzusehen. Versuche stattdessen, das Cannabis anzuzünden. Bei belastetem Gras stellst Du fest, dass das gar nicht so einfach ist. Manchmal sprühen kleine Funken und zurück bleibt eine sehr dunkle und relativ harte Asche.

Zucker, Hormone und Kunststoff – Du ahnst vielleicht, dass das nicht gut gehen kann. Konsument:innen berichten vor allem von Problemen mit den Atemwegen. Vermutest Du, dass Dein Gras mit Brix gestreckt sein könnte, solltest Du es nicht konsumieren!

Sand

Wenn Du in Deinen Blüten Sand findest, muss das nicht auf vorsätzlich gestrecktes Cannabis hinweisen – während die Hanfpflanze sich ihrer Blütezeit nähert, wird sie immer klebriger. Beim Anbau im Freien lassen sich solche „Verunreinigungen“ deswegen nicht ganz vermeiden. 

Allerdings handelt es sich dabei um kleine Rückstände – findest Du größere Mengen, wurde das Cannabis sehr wahrscheinlich gestreckt. Sand rieselt oft durch die Blüten und sammelt sich am Boden der Plastiktüte (oder wo auch immer Du Dein Cannabis aufbewahrst). Um sicherzugehen, kannst Du eine kleine Kostprobe nehmen – zwischen den Zähnen zermalmt, knirscht es. Akute Nebenwirkungen sind keine bekannt. Rauchst Du mit Sand gestrecktes Cannabis über einen längeren Zeitraum hinweg, steigt die Gefahr einer Staublunge (Silikose)4.

Haarspray  

Manchmal wird altes und vertrocknetes Cannabis mit Haarspray aufgehübscht. Die Blüten glänzen und kleben jetzt mehr, was einen höheren Trichomgehalt und damit auch eine stärkere Wirkung vorgaukelt. 

Den Haarlack erkennst Du oft an seinem typischen chemisch-süßlichen und Parfüm ähnlichen Geruch. Außerdem lassen sich die Blüten nur schwer zerbröseln, sie kleben übermäßig an den Fingern und beim Verbrennen bleibt eine harte Asche zurück. 

Rauchst Du Haarspray, kratzen und schmerzen die chemischen Inhaltsstoffe im Hals — schließlich belastet das verunreinigte Gras Deine Atemwege. Bei der Verbrennung entstehen außerdem krebserregende Substanzen, die das Langzeitrisiko für Konsumierende steigern5

Unser Ratschlag: Auch wenn Du womöglich viel Geld dafür ausgegeben hast – tue Dir einen Gefallen und wirf das Cannabis bei Haarspray-Verdacht weg.

Bis zu 300 mal stärker als THC – Grund für die anstehende Legalisierung?

Solange Cannabis verboten ist, können keine offiziellen Kontrollen oder Maßnahmen zur flächendeckenden Qualitätssicherung stattfinden – Du bleibst also mit den Risiken allein und im Unklaren darüber, was wirklich in Deinem Gras steckt. Zwar zeigen andere Legale Märkte, dass Straßengras nicht vollständig verschwinden wird trotzdem reduzieren legale Verkaufsstellen die gesundheitlichen Risiken erheblich. Hier könntest Du Dir schließlich sicher sein, reines Cannabis zu kaufen und kein mit Chemikalien versetztes Produkt zu rauchen. Es bleibt also abzuwarten, wann die Politik ihren Plan umsetzt und Cannabis für Genusszwecke in Deutschland verfügbar sein wird.

Hier kannst du Dirty Weed melden

Du hast Dein Cannabis getestet und bist dabei auf Unstimmigkeiten gestoßen? Auf dirty-weed.com kannst Du diese melden und den Standort des Erwerbs angeben, um andere vor dem Konsum zu warnen. Andersherum lohnt es sich, das Portal vor einem Kauf abzuchecken.

Fazit

Solange Cannabis in Deutschland für erwachsene Konsument:innen nicht legal zu erwerben ist, kannst Du keine genauen Informationen über die Inhaltsstoffe des Cannabis erlangen. Die Gefahr, an gestrecktes Gras zu geraten, bleibt also. Die Verbreitung von Zusatzstoffen wie Glas, Blei oder anderen Streckmitteln ist nicht abzuschätzen.

Disclaimer 

Cannabis fällt in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz – damit ist der Besitz, Handel und Anbau von und mit Marihuana nicht erlaubt. Es gelten die regional unterschiedlichen Bestimmungen zu den erlaubten Höchstmengen. Bezüglich synthetischem THC gilt zusätzlich das Neue psychoaktive Stoffe Gesetz. Der Artikel ist keine Handlungsaufforderung und dient lediglich dem Zweck der Information.

FAQ’s:

Wie wirkt gestrecktes Gras?

Gestrecktes Gras wirkt oft schwächer als hochwertige Blüten – das High lässt schon nach kurzer Zeit nach. Handelt es sich jedoch um mit synthetischen Cannabinoiden verunreinigte CBD-Blüten, entfaltet es einen meist intensiven und unvorhersehbaren Rausch, der mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen kann: zum Beispiel Herzrasen oder Ohnmacht. Auch bei einem ungewöhnlichen Geschmack oder starkem Halskratzen solltest Du misstrauisch werden und auf den Konsum verzichten.

Wie wird Ott gestreckt?

Zum Cannabis Strecken kommen unterschiedlichste Substanzen zum Einsatz. Dazu gehören zum Beispiel Haarlack, Sand, Zucker, Gewürze, Brix, Glas, Kaliumdünger, Blei und Schimmel. Chemie-Gras kann eine enorme Belastung für deine Gesundheit darstellen – untersuche Dein Cannabis deswegen immer auf Aussehen, Geruch, Haptik und Geschmack. 

Kann man von gestrecktem Gras sterben?

Theoretisch ist das möglich, zumindest im Fall von synthetischen Cannabinoiden. Der Konsum von synthetischen Cannabinoiden hat im Jahr 2020 offiziell neun Menschen in Deutschland das Leben gekostet – die Dunkelziffer der Fälle könnte beträchtlich höher sein. Die meisten anderen Streckmittel sind zwar ebenso eine Gefahr für Deine Gesundheit, sind aber nicht per se tödlich. Rauchst Du regelmäßig mit Haarlack oder Sand gestrecktes Cannabis, steigt aber das Risiko für Lungenentzündungen und Krebserkrankungen. 

Wie oft ist Gras gestreckt?

Wie es um die Verbreitung in Deutschland steht, lässt sich nur schwer beantworten – auch weil sich manche Streckmittel unauffälliger verhalten als andere. Dem Bundeskriminalamt liegen keine konkreten Daten vor. Klar ist aber: Solange wir auf die Legalisierung warten, finden Brix, Glas, Haarlack, Blei und Co. ihren Weg ins Cannabis.

Quellen:

1) Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht (2020): Synthetische Cannabinoide, https://www.infodrog.ch/files/content/schadensminderung_de/2020-12_fiche-cannabinoides-prof_de.pdf

2) Deutscher Bundestag (2021): Todesfälle durch synthetische Cannabinoide, https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-864060

3) Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht (2020): Synthetische Cannabinoide, https://www.infodrog.ch/files/content/schadensminderung_de/2020-12_fiche-cannabinoides-prof_de.pdf

4) https://hanfverband.de/inhalte/streckmittel-in-marihuana-wie-man-sie-erkennt-und-welche-risiken-von-ihnen-ausgehen

5) Ebd.

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