Artikel

December 22, 2022

Munchies – Weed macht Hungrig?

Du kennst das Bild: Cannabiskonsument:innen sitzen high auf der Couch und schieben lachend eine Pizza nach der nächsten in den Ofen. Was hat es damit auf sich ? Die Personen erleben Munchies: eine Art speziellen Heißhunger, dessen Auftraggeberin Cannabis heißt. Aber wie entstehen Munchies und warum empfinde ich Munchies am Monatsanfang als besonders tricky?

Was sind Munchies?

Das Wort kommt vom Englischen “get the munchies”. Das bedeutet so viel wie “Heißhunger bekommen”. Oft wird der Begriff verwendet, um von dem Heißhunger zu sprechen, der durch den Konsum von Cannabis auftritt. In dem Fall berichten Menschen von richtig starken Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln – häufig vor allem Junk Food in rauen Mengen. Eine deutsche Variante von Munchies wäre zum Beispiel “Fressflash”. Klingt wenig wertschätzend? Das sehe ich genauso und bleibe daher bei Munchies…

Hunger vs. Appetit – Was hat es damit auf sich?

Auch im nüchternen Zustand verspüren Menschen Appetit und Hunger – und das ist auch gut so. Aber wie entsteht das Bedürfnis nach Essen? 

Hunger entsteht durch verschiedene Faktoren1:

  • Einen leeren Magen-Darm-Trakt
  • Niedriger Blutzuckerspiegel
  • Bestimmte Hormone im Körper
  • Vom Hypothalamus gesendete Signale

Diese Faktoren lassen Deinen Körper wissen, dass Dein Magen leer ist und Dein Gehirn sendet das Signal HUNGER. Das funktioniert natürlich genauso umgekehrt: Ein voller Magen und ein hoher Blutzuckerspiegel teilen Dir mit, dass Du vielleicht satt bist2.

Beim Thema Appetit sieht die Sache etwas anders aus: Appetit beschreibt die Lust nach Essen. In der Regel verspürst Du Appetit, wenn Du an Pizza denkst, eine Schokotorte siehst oder Waffeln riechst – Dir läuft dann förmlich das Wasser im Mund zusammen. Das passiert übrigens, weil Dein Körper Dich durch die vermehrte Speichelproduktion auf das Aufweichen und Zersetzen von Nahrung vorbereitet3

Manche Menschen verspüren auch in Stresssituationen Appetit, das ist ein sogenannter Coping-Mechanismus, also eine Bewältigungsstrategie. Andere hingegen können in stressigen Zeiten gar nicht ans Essen denken. 

Science Check – Wie entstehen Munchies?

Das Endocannabinoid-System ist maßgeblich für jegliche Cannabis-Wirkung verantwortlich, so auch für das Auftreten von Munchies. THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) sind die beiden bekanntesten Wirkstoffe (Cannabinoide) der Cannabispflanze. Gemeinsam mit ca. 100 weiteren Cannabinoiden sowie den unterschiedlichen Terpenen docken sie am körpereigenen Cannabinoid-System an, genauer gesagt an den Rezeptoren CB-1 und CB-24.

Die Rezeptoren geben im nächsten Schritt die jeweiligen Effekte im Körper in Auftrag. Der CB2-Rezeptor arbeitet überwiegend an Immunreaktionen und kann Entzündungen lindern. Der CB1-Rezeptor ist dagegen für die Beeinflussung von Emotionen wie Angst, Freude, Euphorie verantwortlich, das Empfinden von Schmerzen, sowie die Informationsverarbeitung und dem Schlaf. Außerdem kann der CB1-Rezeptor im Zusammenspiel mit THC eine Auswirkung auf Deinen Appetit haben5

Das Endocannabinoid-System funktioniert also wie ein Verteilerzentrum: Durch den Konsum kommen die Wirkstoffe an den Rezeptoren an. THC, CBD und Co. laden ihre Pakete an den jeweiligen Rezeptoren ab. Hier sortieren die Rezeptoren, welches Paket wo hin muss und leiten die Pakete “Euphorie”, “Munchies” oder “Müdigkeit” an den entsprechenden Orten ab.

Wie ausgeprägt Du die jeweiligen Symptome erlebst, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Neben Deinen persönlichen Voraussetzungen (Stimmung, Körperbau) spielen die unterschiedlichen Strains die wichtigste Rolle. Die Informationen über den THC- und CBD-Gehalt sowie die unterschiedlichen Terpenprofile können Dir eine Vorahnung geben, wie Du Dein Weed erlebst.

Darüber hinaus scheint ein Hormon namens “Ghrelin” eine Rolle bei der Entstehung von Munchies zu spielen. Die Cannabisexpertin Dr. Melanie Bone erklärt dazu: “Der Mechanismus, durch den Cannabis den Appetit anregt, scheint durch die Produktion eines Hormons namens Ghrelin zu erfolgen. Dieses Hormon wirkt auf die Appetitzentren im Gehirn und regt den Hunger an. Darüber hinaus können die Cannabinoide Geschmack und Geruch beeinflussen. Diese Kombination ist vorteilhaft für diejenigen, die Schwierigkeiten haben, überhaupt Lust auf Essen zu bekommen6.”

Cannabis als Medizin: Wie die appetitanregende Wirkung Patient:innen hilft

Die appetitanregende Wirkung von Cannabis sorgt nicht nur bei Freizeitkonsument:innen für ausgedehnte Esskapaden. Bei der Behandlung schwerstkranker Patient:innen kann der Effekt sogar zu einer Verbesserung der Lebensqualität sorgen. Krebs- und HIV-Patient:innen sind häufig von Übelkeit, Erbrechen und Appetitverlust betroffen und nicht in der Lage, ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen. Dadurch leiden Betroffene zusätzlich zu ihrer eigentlichen Erkrankung. In den Höhen der AIDS Epidemie der USA wurde 1985 deshalb auch die Behandlung von HIV/AIDS Patient:innen mit Dronabinol legalisiert.

Die appetitanregende und antiemetische (Brechreiz lindernde) Wirkung von Cannabis kann dafür sorgen, dass Patient:innen wieder Nahrung aufnehmen können. Das führt in der Regel zu einer Gewichtszunahme und einer allgemein verbesserten Lebenssituation3.Übrigens  sind das nicht die einzigen medizinisch wertvollen Eigenschaften der Cannabispflanze. Auch in der Behandlung chronischer Schmerzen, bei Schlaflosigkeit4 und Depressionen5 bestätigen Studien das nicht zu unterschätzende Potenzial der Cannabispflanze – gerade Krebspatient:innen sind oft von diesen Symptomen betroffen.

 Storytime: Damals, als ich high vorm Supermarktregal stand…

Die ein oder andere Person kennt die Misère vielleicht: Student:innenleben, der WG-Kühlschrank ist nie so richtig voll und der Geldbeutel meistens so richtig leer. Was, zumindest in meinem Fall, auch nie so richtig leer war: der Weed-Vorrat.

So ereignete sich folgende Situation: Donnerstagnachmittag, der Vizefreitag der kleinen Frau. Ich prokrastiniere ordentlich die anstehende Klausurenphase vor mir her und rolle einen Joint nach dem anderen. Meine Gedanken schweifen von der Musik, die ich gerade so richtig fühle, über meine Wochenendpläne zum Vorratsschrank unserer Küche. Ich stehe auf, gehe in die Küche, öffne alle möglichen Türen und finde nichts, was meinen Cravings gerecht werden will. Etwas enttäuscht gehts zurück auf die Couch, ich checke meinen Kontostand. – It’s BAFÖG-Time! Mit dem Enthusiasmus einer neureichen Studentin mache ich mich also auf den Weg zum nächsten Supermarkt.

Hungrig Einkaufen zu gehen ist in keinem Universum eine gute Idee – zumindest wenn man nicht vorhat, den Einkaufswagen mit Lebensmitteln zu füllen, die man unmöglich vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums verzehren kann. Die noch schlechtere Idee? High, mit Munchies und frisch gefülltem Bafög-Konto den Supermarkt aufzusuchen.

Ich schlendere also durch den Supermarkt und kaum ein Regal entgeht meiner Aufmerksamkeit. I scream for Ice Cream… meine Lieblingssorte ist eh reduziert. Pizza? Muss in den Wagen. Toast, Aufstriche in süß und herzhaft. Eigentlich hätte ich richtig Bock auf Sandwiches und der Toaster ist sogar im Angebot…gekauft! Die Snack Options scheinen unendlich und ich brauche sie alle. Nachos? Mit ordentlich Käse bitte. Schokolade, Gummibärchen, Nüsse und Marshmallows. An der Kasse fällt mir ein, dass ich SCHOKOMILCH vergessen habe und ich laufe nochmal zurück.

Beim Bezahlen lasse ich mich von der Summe, die meinen normalen Wocheneinkauf deutlich übersteigt, nicht abschrecken und stehe gleich vor der nächsten Aufgabe: Wie bekomme ich meine Beute jetzt nach Hause? Ich wohne Gott sei Dank in fußläufiger Entfernung und entscheide mich, mir den Einkaufswagen etwas länger auszuborgen. Eine kurze Zeit Kopfsteinpflaster später hab ich’s auch auch schon fast geschafft und bringe meine Einkäufe bereits kauend nach oben – der Wagen kann ja erst einmal hier stehen bleiben.

Oben angekommen stürze ich mich gemeinsam mit meiner Mitbewohnerin ins Stoner-Glück. Der Toaster toastet, die Pizza bäckt im Ofen und das Aroma unserer Köstlichkeiten vermischt sich mit feinstem Weed-Geruch. Nachdem die unendlich scheinende Phase der Zubereitung abgeschlossen ist, lassen wir uns auf der Couch nieder und erfreuen uns an unserem High in all seinen Facetten.

… Der Legende nach folgte auf die Munchies ein ausgiebiges Foodkoma und unsere Mitbewohner:innen erfreuten sich an dem Bild, welches wir vom Essen umzingelt auf der Couch schlafend abgaben. Das entstandene Foto hing bis zum Ende unseres WG-Lebens am Kühlschrank und hat immer wieder für Lacher gesorgt. Heute verweilt es an einem sicheren Ort. 😉

Fun Fact: Den Rest des Monats gab’s für mich Nudeln, weil mein Budget für Lebensmittel diesen Monat irgendwie schneller aufgebraucht war als sonst. Sandwich-Toast, anyone?

FAQ

Warum hat man Munchies?

Munchies entstehen durch die Aktivierung bestimmter Rezeptoren am Endocannabinoid-System. Die Cannabinoide THC und CBD docken dort an den CB1 -und CB2-Rezeptoren an, dadurch werden Signale an den Körper gesendet und Du hast Lust auf Essen in jeglicher Form. Für den speziellen Hunger ist das Zusammenspiel zwischen THC und dem Cannabinoid-Rezeptor-1 verantwortlich.

Was ist Munchies?

Munchies beschreiben den Hunger, den Cannabiskonsument:innen häufig verspüren, nachdem sie Cannabis konsumiert haben. Sinngemäß lässt sich das Feeling mit “Heißhunger” übersetzen. Oft spüren Konsumierende nicht einfach ein Hungergefühl, sondern haben Lust auf ganz bestimmte Lebensmittel, beispielsweise Pizza, Chips oder Süßigkeiten.

Disclaimer

Der Besitz, Anbau sowie der Handel von und mit Cannabis ist in Deutschland nach wie vor illegal. Der Konsum der Droge fällt unter das Betäubungsmittelgesetz. Für den medizinischen Gebrauch ist Cannabis auf Rezept freigegeben. Der Artikel ist keine Handlungsaufforderung, sondern dient nur dem Zweck der Information.

Quellen

  1. Anne C. Poinier MD – Internal Medicine & Kathleen Romito MD – Family Medicine & Martin J. Gabica MD – Family Medicine & Rhonda O’Brien MS, RD, “Hunger, Fullness and Appetite Signals”, 2021, University of Michigan Health
  2. Ebd.
  3. Ebd.
  4. Dingermann T. Grundlagen der Pharmakologie von Cannabinoiden. Schmerzmed.,Grundlagen der Pharmakologie von Cannabinoiden – PMC” 2021;37(Suppl 1):8–13. German. doi: 10.1007/s00940-021-3139-9. Epub 2021 Jul 26. PMCID: PMC8286859.
  5. Breijyeh, Zeinab, Buthaina Jubeh, Sabino A. Bufo, Rafik Karaman, and Laura Scrano; 2021; Cannabis: A Toxin-Producing Plant with Potential Therapeutic Uses | HTML” Toxins 13, no. 2: 117. https://doi.org/10.3390/toxins13020117
  6. Dr. Melanie Bone, “Why Does Weed Make You Hungry? The Munchies, Explained | Weedmaps” 
  7. Kleckner AS, Kleckner IR, Kamen CS, Tejani MA, Janelsins MC, Morrow GR, Peppone LJ.; “Opportunities for cannabis in supportive care in cancer” 2019 Aug 1;11:1758835919866362. doi: 10.1177/1758835919866362. PMID: 31413731; PMCID: PMC6676264.
  8. Kuhathasan, N., Minuzzi, L., MacKillop, J. et al. ; “An investigation of cannabis use for insomnia in depression and anxiety in a naturalistic sample | BMC Psychiatry | Full Text” BMC Psychiatry 22, 303 (2022). https://doi.org/10.1186/s12888-022-03948-6
  9. Ebd. 

1111111