Artikel

October 6, 2022

Cannabis Legalisierung – Parteien haben unterschiedliche Standpunkte

Die neue Bundesregierung hat sie versprochen: die Legalisierung von Cannabis. Vielleicht wartest auch Du seit der Wahl sehnsüchtig darauf, dass hier endlich etwas passiert. Die gute Nachricht: Die Gesetzesänderung wird kommen. Die schlechte Nachricht: Bis es so weit ist, schreiben wir voraussichtlich das Jahr 2024. Aber was sagen eigentlich die Befürworter:innen und Kritiker:innen im Bundestag zur Freigabe?

Cannabis: die Grundlagen

Cannabis ist wohl die beliebteste illegale Droge überhaupt. Die Beliebtheit kommt mit der vielfältigen Wirkung: Durch die enthaltenen Cannabinoide und Terpene wirkt Cannabis nicht nur berauschend, sondern auch gesundheitsfördernd und schmerzstillend. Der berauschende Effekt geht auf das Cannabinoid Tetrahydrocannabinol, kurz THC, zurück – so wird zum Beispiel das Denken sprunghaft, Farben und Geräusche erscheinen intensiver und ein Gefühl der Leichtigkeit und Entspannung stellt sich ein. Aber auch negative Symptome wie Angst, Herzrasen und Übelkeit sind möglich1.

H3: Warum soll Cannabis legalisiert werden?

Obwohl Cannabis in Deutschland verboten ist, haben im Jahr 2012 mindestens 2,9 Millionen Erwachsene einen Joint geraucht oder die Droge auf andere Weise konsumiert2 – zum Beispiel als Space Cookie oder in der Bong.

Was lässt sich daraus schlussfolgern? Richtig, Cannabis wird so oder so konsumiert – ob legal oder illegal.

Daher argumentieren Befürworter:innen der Gesetzesänderung, dass die aktuelle Cannabispolitik nicht mehr zeitgemäß sei – sie richte sogar mehr Schaden als Nutzen an. Im Fokus stehen fünf Pro-Argumente:

Kontrollierte Qualität

Auf der Straße gekauft, weiß niemand, was wirklich im Cannabis steckt – und das können die seltsamsten Dinge sein: Mit Glas, Haarspray, Zucker, Gewürzen und manchmal sogar Blei verunreinigt, riskieren Konsumierende Lungenschäden, Vergiftungen und mehr. Synthetische Cannabinoide wiederum können sogar zum Tod führen.

Die Legalisierung von Cannabis wäre praktischer Gesundheitsschutz, da gesundheitliche Schäden durch Verunreinigungen vermieden würden.

Bessere Prävention

Ja, Cannabiskonsum kann abhängig machen und bei Jugendlichen sogar bleibende Schäden im Gehirn verursachen.3 Umso wichtiger? Gute Präventions- und Therapieangebote. Die gibt es zwar schon heute – allerdings baut die gegenwärtige Rechtslage eine Hemmschwelle auf. Nach der Legalisierung fiele es Betroffenen also wahrscheinlich leichter, sich in Behandlung zu geben.

Relativ unbedenklicher Genuss

Mediziner:innen bestätigen: Cannabiskonsum ist weniger gesundheitsschädlich als der Gebrauch von Alkohol – es spricht also eigentlich nichts dagegen, wenn Erwachsene hin und wieder eine Tüte rauchen. Dass diese das Tor zu den „harten Drogen“ öffnet, lässt sich wissenschaftlich kaum halten. Die Zahl der Menschen, die in Deutschland jährlich durch den Konsum sterben, spricht für sich:

  • Alkohol: 74.0004
  • Tabak: 127.0005
  • Cannabis: keine Vergleichszahlen verfügbar

Entlastung der Justiz

Die strafrechtliche Verfolgung von Cannabiskonsument:innen kostet die Justiz Zeit und Ressourcen, die an anderen – wichtigeren – Stellen fehlen. Wäre Cannabis also legal, könnte sie sich auf Vergehen konzentrieren, auf die das Attribut “strafrechtlich relevant” tatsächlich zutrifft.

Gesellschaftliche Akzeptanz

Kontrollen und Verbote haben nicht verhindern können, dass Cannabis zur beliebtesten illegalen Droge geworden ist. 13,5 Prozent der 18- bis 25-jährigen und 4,5 Prozent der 18- bis 64-Jährigen haben 2012 mindestens einmal Cannabis konsumiert6 und auch in der Öffentlichkeit macht sich eine zunehmende Akzeptanz breit. Wirklich verwunderlich ist das nicht.

Schließlich bleibt es schwer begreiflich, warum deutlich schädlichere Substanzen (Tabak, Alkohol) frei verkäuflich sind, während Cannabiskonsument:innen sich davor fürchten müssen, vor Gericht zu landen.

Risiken: davor warnen Kritiker:innen

Legalisieren wir Cannabis, ginge das vor allem auf die Kosten vom Jugendschutz, befürchten Kritiker:innen der Freigabe, – verschiedene Gesundheitsprobleme seien die Folge:

Abhängigkeit

Cannabis kann abhängig machen – und zwar stärker als lange gedacht. Das gilt vor allem für die psychische Abhängigkeit. Betroffene leiden unter einem beinahe zwanghaften Wunsch, Cannabis zu konsumieren und ordnen andere Lebensbereiche den Drogen unter. Allerdings ist das Risiko, in eine Abhängigkeit zu rutschen, bei Nikotin größer7.

Gehirnveränderungen

Unser Gehirn ist erst Mitte 20 voll ausgereift. Deswegen kann ein früher Konsum dem Organ schaden. In einer Studie zeigte sich, dass die Hirnrinde bei jungen Konsument:innen dünner ist als in der Vergleichsgruppe8.

Vor allem der präfrontale Kortex war betroffen. Dieser spielt für die Impulskontrolle, Problemlösung und Handlungsplanung eine entscheidende Rolle – es überrascht also wenig, dass viele der untersuchten Teenager eine verminderte Impulskontrolle zeigten.

Psychosoziale Folgen

Jugendliche Konsument:innen haben ein höheres Risiko, die Schule ohne Abschluss zu verlassen, mit einem geringeren Bildungsniveau durchs Leben zu gehen und weniger zu verdienen9. Bei Erwachsenen kann wiederum die Arbeitsleistung sinken.

Psychische Krankheiten

Regelmäßiger Cannabiskonsum kann Psychosen, Angststörungen und Depressionen auslösen10 – vor allem bei Cannabissorten mit hohem THC-Gehalt. Womöglich sind Jugendliche, die unter solchen Problemen leiden, aber auch einfach anfälliger für einen missbräuchlichen Cannabisgenuss. Was hier Henne und Ei ist, bleibt also umstritten. Dem entgegen steht allerdings, dass Cannabis im medizinischen Kontext auch immer mehr im Verdacht steht, bei der Behandlung von Depressionen und Angststörungen nützlich zu sein. Eine Studie aus dem Jahr 2022 bestätigt die Annahme11.

War Cannabis bisher immer illegal?

Bis 1929 war Cannabis in Deutschland legal – und wurde auch gerne genutzt: in der Freizeit, als Medizin oder um Textilien und Papier herzustellen. Das änderte sich mit der zweiten Opiumkonferenz in Genf zwangsläufig. Auf den Antrag Ägyptens beschlossen die teilnehmenden Länder 1925, neben Heroin und Opium auch Cannabis zu verbieten12.

Obwohl sie den Vertrag unterzeichneten, begannen die Staaten nur zögerlich, den Zugang zu erschweren. Neuen Aufschwung bekam die Prohibition durch das Ende des Alkoholverbots in den USA (1933). Um die Arbeitsplätze der zuständigen Behörde zu sichern, brachte diese Cannabis in einer politischen Kampagne mit Vergewaltigungen, Morden und enthemmtem sexuellen Verhalten in Verbindung.

Anfang der 1970er-Jahre wurde die Drogenpolitik schließlich verschärft – auch als Gegenreaktion zur Gesellschaftskritik der 68er Generation. Richard Nixon rief den „War on Drugs“ aus und das neue Betäubungsmittelgesetz in Deutschland rückte neben Händler:innen jetzt auch die Konsument:innen in den strafrechtlichen Fokus.

Gewinner:innen und Verlierer:innen der Legalisierung

Die Pro- und Kontra-Argumente zeigen, wie hart die Legalisierung von Cannabis umkämpft ist. Einmal in Kraft gesetzt, wird sie sowohl Gewinner:innen als auch Verlierer:innen hervorbringen:

Gewinner:innen Verlierer:innen 
Freizeitkonsument:innen: Die Legalisierung macht den Weg zu ungestrecktem Cannabis frei.

Staat: Die Steuereinnahmen könnten dem Staat jedes Jahr eine zusätzliche Milliarde beschaffen.

Justiz: Eine Legalisierung von Cannabis entlastet die Justiz und somit auch die Staatskasse. Die vorhandenen Ressourcen können für schwerwiegendere Delikte genutzt werden.

Patient:innen: Für medizinische Zwecke ist Cannabis bereits legal, aber nicht alle Patient:innen erfüllen die Kriterien für eine Behandlung mit medizinischem Cannabis oder sind durch den hohen bürokratischen Aufwand verunsichert. Durch die Legalisierung hätten alle Erwachsenen Zugang. 
Suchtgefährdete: Die leichtere Verfügbarkeit könnte für Suchtgefährdete zur Versuchung werden. Andererseits fällt es Betroffenen nach der Legalisierung womöglich leichter, sich in Therapie zu begeben.

Illegaler Markt: Ob der illegale Markt komplett ausgetrocknet wird, ist umstritten. Trotzdem erschwert das neue Gesetz den illegalen Handel durch kriminelle Organisationen.

Was fordern die einzelnen Parteien?

War die Cannabislegalisierung lange ein grünes Randthema, ist sie im Wahlkampf der Bundestagswahl 2021 zum zentralen Thema geworden. Doch wofür stehen die Parteien?

Bündnis90/ Die Grünen

Prävention, Hilfe, Schadensminimierung und Regulierung – Das sind die vier Säulen der grünen Drogen- und Suchtpolitik der Grünen13. Im Mittelpunkt stehe fortan nicht mehr die Strafverfolgung, sondern die Hilfe zur Selbsthilfe.

Das Wahlprogramm der Partei fordert einen geregelten Handel in lizenzierten Fachgeschäften, um dem illegalen Handel den Boden zu entziehen. Außerdem soll ein Cannabiskontrollgesetz für strikten Jugend- und Verbraucherschutz sorgen.

SPD

Die SPD sieht die Legalisierung pragmatisch14: Marihuana gehöre zur gesellschaftlichen Realität, also müsse man einen Umgang mit der Droge finden.

Schließlich haben das Verbot und die Kriminalisierung den Konsum nicht gesenkt – bei der Polizei und Justiz allerdings enorme Ressourcen verschlungen. Die kontrollierte Abgabe von Cannabis solle durch Präventions-, Beratungs- und Behandlungsmaßnahmen begleitet werden.

FDP

Die FDP plädiert für einen kontrollierten Verkauf von Cannabis15: Volljährige sollen die Droge kaufen und konsumieren dürfen – auch weil die Legalisierung dem Staat geschätzte Steuereinnahmen von bis zu einer Milliarde Euro einbringen kann. Die Einnahmen sollen laut der Partei für Prävention, Suchtbehandlung und Beratung zum Einsatz kommen.

Die Linke

Die Partei die Linke möchte sogar den Besitz und Anbau für den eigenen Bedarf erlauben16 – sie bevorzugt also „vorrangig nicht kommerzielle Bezugsmöglichkeiten“ und lehnt den Verkauf von Cannabis durch Fachgeschäfte eher ab. Außerdem spricht sie sich für mehr Prävention, Aufklärung und Hilfsangebote aus.

CDU/CSU

In ihrem Wahlprogramm spricht sich die CDU17 gegen eine Legalisierung illegaler Drogen aus – die Auswirkungen für Einzelne und die Gesellschaft seien zu groß. Stattdessen wolle man den Fokus auf die Suchtprävention legen und mit Sanktionen dazu verleiten, Beratungs- und Therapieangebote wahrzunehmen.

AfD

Das Wahlprogramm der AfD ist erwartbar und eindeutig: Mit ihr in der Regierung würde es Cannabis nur für medizinische Zwecke und unter ärztlicher Aufsicht geben – eine Legalisierung für Freizeitkonsument:innen lehnt die Partei ab. 

Die Ampel hats beschlossen – und wann gehts los?

Die Ampel-Parteien machen ihre Wahlversprechen der Bundestagswahl wahr: Erwachsene sollen Cannabis zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften kaufen können. Nach vier Jahren möchten die Parteien die Ergebnisse evaluieren. Auch von mehr Drugchecking ist in dem Koalitionsvertrag die Rede18.

Eine Frage bleibt: Wann ist Bubatz legal?

Tja. Einen genauen Zeitplan gibt es nicht. Durch den Krieg in der Ukraine und die andauernde Coronapandemie dürfte sich das Vorhaben verzögern – jetzt gerade haben einfach andere Dinge Priorität. Außerdem vergehen in Deutschland im Durchschnitt rund 175 Tage, bis ein Gesetz tatsächlich in Kraft tritt. Deswegen rechnen Expert:innen frühestens Anfang 2024 mit der Legalisierung.

Karl Lauterbach hingegen möchte die Gesetzesinitiative in der zweiten Jahreshälfte von 2022 ins Rollen bringen. So oder so: Die Freigabe soll in dieser Wahlperiode kommen – also spätestens bis 2025.

Wie halten es unsere deutsch-sprachigen Nachbarn?

In Deutschland steht die Legalisierung in den Startlöchern. Doch wie sieht es eigentlich in Österreich und der Schweiz aus? Spoiler: Auch hier bröckelt die restriktive Politik.

Österreich

In Österreich sind der Besitz, Anbau, Verkauf und Erwerb von Cannabis verboten. Wirst Du erwischt, droht Dir eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen. Das gilt jedoch vor allem für größere Mengen – auch hier stuft die Justiz die rechtlichen Konsequenzen je nach Schwere des Vergehens ab.

Dient das Cannabis Deinem Eigenbedarf und Du wirst zum ersten Mal seit fünf Jahren auffällig, soll es sogar bei einer Eintragung ins Suchtmittelregister bleiben19.

Die Schweiz

In der Schweiz dürften ausgewählte Testpersonen seit Mai 2022 Cannabis kaufen – auch für den Freizeitgenuss. Teilnehmenden ist die Weitergabe untersagt, außerdem müssen sie sich regelmäßigen Untersuchungen ihres Gesundheitszustandes unterziehen.

Ziel dieses Pilotversuchs ist es, Erkenntnisse darüber zu sammeln, wie sich eine Legalisierung auf Konsummuster auswirkt. Eine Freigabe wird also diskutiert – der illegale Markt floriere ohnehin, lässt das Schweizer Bundesamt für Gesundheit verlauten20.

FAQ’s: 

Wann legalisiert Deutschland?

Einen konkreten Zeitplan für die Gesetzesänderung gibt es nicht. Durch den Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie wird sich die Gesetzesänderung jedoch wahrscheinlich hinziehen – vermutlich bis 2024, schätzen Expert:innen. Spätestens 2025 sollte es aber so weit sein. Dann endet die Wahlperiode der Ampel Parteien nämlich.

Wann soll die Legalisierung stattfinden?

Bevor Cannabis legalisiert wird, müssen Anbau, Verkauf, Beschaffenheit und Prävention geregelt sein – der Aufwand ist also enorm. Dazu kommen die langen Gesetzgebungsprozesse in Deutschland. Weil aktuell das Kriegsgeschehen in der Ukraine und die Pandemie die Politik dominieren, kannst Du wahrscheinlich erst 2024 legal Gras kaufen.

Quellen:

1 Patienteninformation, “Cannabis als Medizin? — Patienten-Information.de

2 Bundesministerium für Gesundheit, “Cannabis – Bundesgesundheitsministerium

3 Matthew D. Albaugh, Jonatan Ottino-Gonzalez, Amanda Sidwell, “Association of Cannabis Use During Adolescence With Neurodevelopment” JAMA Psychiatry. 2021;78(9):1031-1040. doi:10.1001/jamapsychiatry.2021.1258

4 Bundesministerium für Gesundheit”, “Alkoholkonsum in Deutschland: Zahlen & Fakten – Bundesgesundheitsministerium.”

5 Bundesministerium für Gesundheit, “Rauchen – Bundesgesundheitsministerium” 

6 Tim Pfeiffer Gerschel (2015), “Zum aktuellen Cannabiskonsum in Deutschland und Europa” 

7 Bundesgesundheitsministerium, “Kurzbericht Cannabis: Potenzial und Risiken” 

8 Matthew D. Albaugh, Jonatan Ottino-Gonzalez, Amanda Sidwell, “Association of Cannabis Use During Adolescence With Neurodevelopment” JAMA Psychiatry. 2021;78(9):1031-1040. doi:10.1001/jamapsychiatry.2021.1258

9 Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, “Basisinfo Cannabis” 

10 Drugcom, ​​”Kiffen könnte depressive Symptome verstärken – drugcom”. 

11 Kuhathasan, N., Minuzzi, L., MacKillop, J. et al., An investigation of cannabis use for insomnia in depression and anxiety in a naturalistic sample | BMC Psychiatry | Full Text” BMC Psychiatry 22, 303 (2022). https://doi.org/10.1186/s12888-022-03948-6 

12 Cannabisfakten, “Wieso ist Cannabis verboten? | cannabisfakten.de” 

13 Bündnis 90 / Die Grünen, “Bundestagswahlprogramm 2021” 

14 Sozialdemokratische Partei Deutschlands, SPD, “SPD: Zukunftsprogramm (PDF)” 

15 FDP, “FDP_Programm_Bundestagswa…” 

16 Die Linke, “Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021” 

17 CDU/CSU, “Das Programm für Stabilität und Erneuerung.” 

18 Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, “MEHR FORTSCHRITT WAGEN” 

19 Stadt Wien, “Hanf Legalisierung Österreich: Wie legal ist Cannabis?” 

20 MDR, “Pilotversuch: Schweiz testet Verkauf von Cannabis für Genusszwecke | MDR.DE” 

1111111